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Marina Carobbio als Brückenbauerin

Die höchste Schweizerin an der PHGR

In der Schweiz werden vier Landessprachen gesprochen. Etwa 65% der Bevölkerung sprechen Deutsch (Dialekt und Hochdeutsch), gut 23% Französisch, etwa 8% Italienisch und etwa ein halbes Prozent Rätoromanisch. Zur Sprachenvielfalt tragen auch die vielen Ausländerinnen und Ausländer bei, die in der Schweiz leben.

Marina Carobbio, Tessiner Ärztin mit Praxis im bündnerischen Misox, ist im Jahr 2018/2019 als höchste Schweizerin Präsidentin des Nationalrats. In der kommenden Legislatur wird sie als Ständerätin den Kanton Tessin vertreten. Die NZZ spricht von ihr als Starpolitikerin.

Einer der Schwerpunkte in Marina Carobbios Politik ist die kulturelle Vielfalt, insbesondere die sprachliche Vielfalt in der Schweiz.  Auf ihrer Homepage schreibt sie: "Dank meiner Herkunft aus der italienischen Schweiz, einer sprachlichen und kulturellen Minderheit, denke ich, dass ich die geeignete Person sein könnte um Brücken zu schlagen, nicht nur zwischen den verschiedenen Sprachregionen, sondern auch zwischen den vielfältigen Bewohnern der Schweiz. Die Schweiz benötigt mehr denn je Solidarität und Öffnung, aber auch sozialen Zusammenhalt. Mein persönlicher, politischer und beruflicher Werdegang sind von meinem Engagement an diesen Fronten geprägt." 

Die PHGR hat Marina Carobbio eingeladen, an der PHGR einen Vortrag zu halten.

Hier ein paar Aussagen der Referentin:

 

  • Eines der wichtigsten Elemente für den Zusammenhalt eines Landes sind die Sprachen.
  • Die Hälfte der Italienischsprachigen der Schweiz befindet sich in der sog. Svizzera Italiana, der Rest ist auf das ganze Land verteilt. Jede Sprache hat eine eigene Kultur, deshalb steht nicht die Anzahl der Sprechenden im Zentrum, vielmehr die sprachliche Kultur, die ein wichtiger Teil der schweizerischen Identität darstellt.
  • Das schweizerische Sprachengesetz ist das Resultat eines langjährigen Prozesses. Es musste über lange Jahre erarbeitet werden, bis jetzt Fördermittel für die Landessprachen zur Verfügung standen und stehen.
  • «Wie können die Distanzen zwischen den Landessprachen überwunden werden? Wie kann man als Nationalratspräsidentin dazu einen Beitrag leisten?» Als Nationalratspräsidentin hat sie die Sitzungen konsequent in Italienisch geleistet. Viele Parlamentarier verstehen zwar Italienisch, haben das aber bisher nicht gezeigt. Auch in den Bundesdiensten wurde Italienisch gelernt, damit Sitzungen in Italienisch abgehalten werden konnten.
  • Vor dem Nationalratsvorsitz von Carobbio lag der Anteil von italienischen Voten bei 1 Prozent. Im Jahr von Carobbio 2.5 %, ein Rekord. – Dieses Vorbild hat auch zahlreiche andere Leute ermuntert, italienisch oder französische vermehrt einzusetzen. 
  • Die Beherrschung der Sprachen ist wichtig, um an der Demokratie teilhaben zu können. Je nach Sprache denkt man anders, was sich auch in der Art und Qualität der politischen Vorstösse und Handlungen auswirkt.
  • Die Schweiz hat Gesetze geschaffen, um die Sprachvielfalt zu erhalten. Die Realität zeigt aber, dass die Sprachförderung noch nicht optimal verläuft.
  • Die Schulen haben in der Vermittlung der Landessprachen eine bedeutende Rolle inne. Institutionen, die den Plurilinguismus untersuchen, erforschen und fördern, müssen vermehrt unterstützt werden.
  • Demokratie muss alle Bevölkerungsschichten berücksichtigen: Personen aller Landessprachen, beider (aller) Geschlechter, aller Regionen.
  • Die Sensibilität für die Mehrsprachigkeit muss erhöht werden.
  • Sprachkompetenz ist nicht wie Velofahren, das man nicht verlernt. Sprachkompetenz muss immer wieder erneuert werden.

Wir möchten hier ein Fenster öffnen, das es erlaubt, die Aussagen von Marina Carobbio weiter zu diskutieren. Selbstverständlich sind Beiträge in allen Landessprachen erwünscht.

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Kommentare: 3
  • #1

    Vincenzo Todisco (Mittwoch, 27 November 2019 02:27)

    Marina Carobbio hat gezeigt, dass es bei Fragen der Mehrsprachigkeit Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen braucht. Sie hat durchgesetzt, dass sie die Parlamentssessionen auf Italienisch leitet. Credo sia la prima volta che questo sia successo. Quello che inizialmente forse poteva sembrare una cosa impossibile, col tempo è poi diventata una normalità accettata. Ovviamente senza traduzione simultanea non avrebbe potuto funzionare.

  • #2

    Gian Peder Gregori (Freitag, 29 November 2019 10:32)

    Marina Carobbio ha mussà en ses referat e cun sia maniera da manar las debattas dal Cussegl naziunal che era las linguas minoritarias pitschnas pon e duain vegnir duvradas per dapli che mo per beneventar, salidar e dir adia, quai vul dir mo sco act simbolic, mabain era da maniera cumplettamain pragmatica e natirala sco med da communicaziun en ina cuminanz pluriligua.
    Forsa era in model per il parlament dal chantun Grischun triling ??

  • #3

    Vincenzo Todisco (Sonntag, 01 Dezember 2019 22:53)

    Müsste man in diesem Zusammenhang allenfalls die Frage diskutieren, ob es im Bündner Grossratssaal eine Übersetzungsanlage braucht?

Mehrsprachigkeit Graubünden