Iso Camartin
Mehrsprachigkeit ist notwendig für die Verständigung von Menschen aus unterschiedlichen Sprachregionen. Daneben ist sie aber auch ein faszinierendes ästhetisches Phänomen. Iso Camartin geht von Lieblingswörtern in seiner Muttersprache Sursilvan aus, die nicht direkt zu übersetzen sind. „Bufatg“ etwa (aus dem Lateinischen bene factum) öffnet eine schillernde Bedeutungsbreite von Achtsamsein, respektvoller Vorsicht, Empathie. Am Beispiel des Czernowitzer Aharon Appelfeld zeigt er, wie ein Mann, der in einer viersprachigen Region (Muttersprache Deutsch) aufwuchs, in Israel über das Hebräische zum Dichter wurde, in das er „seine beinahe verlorenen Sprachen“ hineinholen konnte. Sprachwechsel und Sprachverlust können Bedrohung und Chance sein. Gerade Schriftsteller werden über das fremde Wort kostbare Impulse für das eigene Sprechen finden. Camartin schliesst mit einem literarischen Reigen zwischen „Lefzen“ und „Lippen“, die vielfältig tierisch, erotisch, physiognomisch konnotiert sein können und sich im Küssen der Sprachen unendlich erneuern.