Sabine Christopher, Matteo Casoni

Italienisch und Rätoromanisch: ein Vergleich der soziolinguistischen Situation und der Sprachenpolitik in der Schweiz und in Graubünden

Abstract

 

Die Überlegungen zu den Minderheitslandessprachen sind im Zusammenhang mit der von der AltLa (Associazione italiana di linguistica applicata) im Jahr 2019 in Cagliari organisierten Tagung mit dem Titel “Lingue minoritarie tra localismi e globalizzazione” entstanden. Die Autoren dieses Beitrags haben dort mit einer Gegenüberstellung von Italienisch und Romanisch aus demolinguistischer und sprachpolitischer Sicht (Christopher & Casoni 2020) teilgenommen. In der folgenden, aktualisierten Überarbeitung wird eine Gegenüberstellung einiger demolinguistischer Daten von Italienisch und Romanisch als Hauptsprachen in ihrer territorialen Verteilung sowie in den hauptsächlichen Kontexten ihres Gebrauchs, in der Familie und am Arbeitsplatz, vorgelegt. Damit sollen die wichtigsten Unterschiede in Bezug auf die Lebendigkeit der zwei Sprachen innerhalb und ausserhalb des herkömmlichen Territoriums nachgezeichnet werden. Aus den äusserst unterschiedlichen soziolinguistischen Kontexten ergibt sich jeweils eine massgeschneiderte eidgenössische und kantonale Sprachpolitik zur Unterstützung der zwei Minderheitssprachen: für Italienisch beziehen sich diese Eingriffe auf das nicht traditionell italienischsprachige Gebiet, währenddem für Romanisch einschneidende Eingriffe auch im traditionellen romanischen Sprachgebiet nötig sind.

 

Thesen

  • Die unterschiedliche soziolinguistische Situation von Italienisch und Romanisch als Minderheitssprachen in der Schweiz und in Graubünden verlangt für ihre Unterstützung eine unterschiedliche Planung der Massnahmen.
  • Italienisch verzeichnet in seinem herkömmlichen Gebiet keine nennenswerten Probleme; Anstrengungen, Massnahmen und Initiativen zu seiner Unterstützung sind auf Gebiete ausserhalb der italienischsprachigen Umgebung gerichtet.
  • Für die Romanen ist die Zweisprachigkeit (Romanisch und Deutsch als Hauptsprachen) eine Hilfe, aber auch ein Zeichen von Schwäche, weil sie sogar innerhalb der Rumantschia und im Gebrauch in der Familie häufig vorkommt.
  • Rumantsch Grischun (drastischer Planungseingriff auf Ebene des Korpus) geniesst heutzutage im Bereich der öffentlichen Kommunikation eine grosse Akzeptanz (als offizielle Sprache vorwiegend im schriftlichen Gebrauch). Auf der anderen Seite ist in sensibleren Domänen (z.B. Schule, Medien, Kirche) seine Akzeptanz eher umstritten.

 

Mehrsprachigkeit Graubünden